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UPF – macht Bequemlichkeit krank?

Fertiggerichte: Fast Food, Tiefkühlkost und Co.

Manch einer mag sie für eine der größten Errungenschaften der heutigen Zeit halten, immer verfügbar, leicht zu konsumieren und sie lassen sich auch ohne jegliche Kenntnisse zubereiten:

Die sogenannten UPFs (engl.: ultra-processed foods), ultrahochverarbeitete Lebensmittel, die besonders in Ländern mit tendenziell hohem Einkommen in jedem Supermarktregal zu finden sind.

Egal ob Fertigsuppen, verarbeitetes Fleisch, süße Kekse oder gezuckerte Frühstücksflocken – sie sind aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken.

Ernährungsexperten geben jedoch zu bedenken, dass sich in diesen Nahrungsmitteln oft sehr viel mehr befindet als auf den ersten Blick sichtbar:

Viele der Fertigprodukte zeichnen sich durch ein hohes Maß an Zusatzstoffen, Zucker(-austauschstoffen), Salz und Aromen aus. Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, wird diese Art der schnellen Mahlzeitenzubereitung immer beliebter. In Ländern wie Deutschland, Großbritannien, Kanada und den USA wird gar die Hälfte der gesamten Energiezufuhr der Bevölkerung durch hochverarbeitete Lebensmittel gedeckt.¹

Enorme Risiken

Dies ist insofern bedenklich, da die UPFs nicht erst seit gestern in der Kritik stehen: Schon in den 1990er Jahren warnte der World Cancer Research Fund (WCRF), dass ein Zusammenhang bestehen könnte zwischen einem Übermaß an verarbeiteten Lebensmitteln (allen voran Wurstwaren und verarbeitete Fleischprodukte) und dem Risiko einer Krebserkrankung. Dieser Verdacht wurde erst kürzlich durch eine groß angelegte epidemiologische Studie erhärtet. Eine französische Arbeitsgruppe rund um die Forscherin Nathalie Kliemann kam zu dem Ergebnis, dass man das Risiko an Krebsarten wie Dickdarm-, Rektum-, Leberzell- oder auch Brustkrebs nach den Wechseljahren signifikant senken könne, indem verarbeitete oder hochverarbeitete Lebensmittel durch nicht bzw. nur minimal verarbeitete ersetzt werden. Auch das allgemeine Krebsrisiko würde dadurch reduziert.²  Die gleiche Arbeitsgruppe hatte bereits 2021 eine Studie veröffentlicht, in der sie den Zusammenhang zwischen UPFs und der Gewichtszunahme über fünf Jahre verdeutlichte. Das Risiko übergewichtig zu werden war bei denjenigen, die in der Studie die meisten UPFs konsumierten um 15 Prozent erhöht, das Adipös zu werden um 16 Prozent.³

Das verwundert nicht weiter, ruft man sich ins Gedächtnis, dass viele der industriell produzierten Mahlzeiten und Knabberartikel oft besonders energie- und fettreich sind, insbesondere durch den Zusatz von gesättigten oder – im schlimmsten Fall – von Trans-Fettsäuren, aber eben auch durch besonders viel Salz und Zucker. Dies führt dazu, dass die Produkte zwar reich an Kalorien, jedoch arm an Nährstoffen und Ballaststoffen sind. Somit sättigen sie nicht nachhaltig und der nächste Griff zum Fertig-Nahrungsmittel ist vorprogrammiert.¹

Suggestion – Das Spiel mit der Werbung

Leider werben jedoch einige Hersteller von Fertignahrung auf ihren Verpackungen gerade damit, nicht nur eine schnelle, sondern auch eine gesunde Alternative zu sein. Durch geschicktes Anpassen der Portionsgröße etwa, gelangen einige an sich ungesunde Produkte – etwa Kakaopulver – an eine gute Bewertung des NutriScores, dem Nährwerte-Kennzeichnungssystem. Somit wird dem Verbraucher suggeriert: Mich kannst du ohne schlechtes Gewissen konsumieren.

Jedoch ist ein Übermaß an Kalorien nicht das einzige Manko der Fertignahrungs-Industrie:
Um natürliche, minimal verarbeitete Zutaten zu imitieren greifen die Hersteller oft auf hydrierte Öle, Glukose-Fruktose-Sirup oder Proteinisolate zurück, was an sich schon wie eine verdrehte Welt erscheint. Dadurch können unter anderem billige Zutaten eingesetzt und der finanzielle Gewinn optimiert werden.¹

Dazu kommt natürlich, dass die Produkte so lange haltbar und sofort verzehrfertig werden und – fatalerweise – meist auch noch besonders gut schmecken. 

Befürworter dieser Kost argumentieren gerne, dass jeder der eingesetzten Zusatzstoffe von der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit zugelassen und für unschädlich erklärt wurde. Doch wissen wir oft wenig über die Auswirkungen, die die Kombination verschiedener Zusatzstoffe auf uns und insbesondere auf unsere Darmflora haben kann. So konstatierte Food and Agriculture Organization (FAO) bereits 2019, dass der Verzehr von UPFs unter anderem Auswirkungen auf die Funktion des Darmes sowie auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben könnte. Auch das Auftreten von neurodegenerativen Erkrankungen und sogar von Depressionen könne in Verbindung mit dem Verzehr von Fertiglebensmittel gebracht werden.⁴

Dennoch fällt es uns anscheinend schwer, auf diese schnell verfügbaren Nahrungsquellen, Fertiggerichte wie Fast Food, Tiefkühlkost und Co., zu verzichten. Und dass, obwohl uns eine gesunde Ernährung nicht per se unwichtig zu sein scheint.

Hoher Verzehr

Der Marktanteil biologisch erzeugter Lebensmittel stieg beispielsweise 2022 in Deutschland auf 7 Prozent – ein Trend, der weltweit zu sehen ist.⁵

In England wuchs der Verzehr von frischem Obst seit 1992 bis 2018 um 23 Prozent, der von Weißbrot fiel in der gleichen Zeit um ganze 56 Prozent. Gleichzeitig stieg jedoch der Konsum von Fertig-Pizza um ganze 143 Prozent – der Verzehr von Wurstwaren immerhin um 18 Prozent. Auch die Rate der von Adipositas betroffenen Personen ist im vereinigten Königreich von 53 Prozent im Jahr 1993 auf 63 Prozent im Jahr 2018 gestiegen.

In Deutschland sind derzeit 53,5 Prozent der Bevölkerung von Übergewicht betroffen, 19 Prozent davon an Adipositas.⁶ ⁷

Dabei handelt es sich natürlich nicht um Kausalitäten, sondern lediglich um Korrelationen, die näher zu beobachten sind.

Verarbeitung spielt eine Rolle

Um eins vorweg zu nehmen: Das Verarbeiten von Nahrungsmitteln an sich soll hier nicht verteufelt werden.

Viele unserer Lebensmittel müssen zunächst verarbeitet werden, um von uns verdaut zu werden, manche Verarbeitungsschritte, wie etwa das Fermentieren dient sogar der Aufwertung der Lebensmittel.

Ein berühmtes Beispiel ist hier die Tomate, bei der wir das darin enthaltene Lycopin am besten aufnehmen, nachdem wir sie längere Zeit erhitzt haben.

Auch gibt es Produkte wie glutenfreie Backartikel und laktosefreie Milchprodukte, die das Leben von Menschen, die an einer Intoleranz leiden erheblich erleichtern.

Unbekannte Inhaltsstoffe

Doch vielleicht sind diese beiden letzten Beispiele auch sinnbildlich für die Problematik mit den UPFs. Sie erleichtern uns das Leben, aber wir kennen den Preis dafür oft nicht.

Gerade Austauschprodukte wie eben glutenfreie Brötchen oder auch vegetarischer Fleischersatz sind oft derart überladen mit Zusatzstoffen, dass das Lesen der Inhaltstoffe für viele Laien eine Herausforderung, wenn nicht gar eine Überforderung darstellt. Mit gesunder Kost hat dies leider nicht mehr viel zu tun.

Natürlich ist es gerade für den urbanen Menschen ein unrealistisches Idealbild, lediglich unbehandelte Lebensmittel direkt vom Feld zu konsumieren und vom eigens gebackenen Brot bis hin zur selbst hergestellten Hafermilch alles selbst zu erzeugen. Allerdings halte ich es für eine gute Faustregel nur jene Lebensmittel zu kaufen, deren Inhaltstoff-Liste ich auch verstehe.

Selber kochen und backen

Und natürlich geht auch in der heutigen Zeit meines Erachtens nach nichts an zumindest grundlegenden Kenntnissen des Kochens vorbei. Wie schnell ist beispielsweise eine gute Tomatensoße gezaubert, die jegliches Industrieprodukt in den Schatten stellt. Und auch die Freude und den Stolz sein eigens gebackenes Brot in den Händen zu halten kann nur derjenige teilen, der es einmal selbst ausprobiert hat. Natürlich benötigt dies etwas Zeit und auch Geduld – gerade, wenn man bisher eher wenig Zeit in der Küche verbrachte. Unser Körper wird es uns jedoch mit neuer Energie und Gesundheit danken – ganz gemäß einem Leitsatz der ayurvedischen Ernährung:

Wer richtig isst, braucht keine Medizin – wer sich falsch ernährt, dem nutzt keine Medizin.

KochKiez-Kolumne von Prof. Dr. Volkmar Nüssler

Literaturverzeichnis

1: A, Bechthold. Hochverarbeitete Lebensmittel. [Online] 12. Mai 2022. https://www.dge.de/blog/2022/05/12/hochverarbeitete-lebensmittel/.
2: Kliemann N, Rauber F, Bertazzi Levy R, et al. Food processing and cancer risk in Europe: results from the prospective EPIC cohort study. Lancet Planet Health. Mar 2023, Bd. 7, 3, S. e219-e232.
3: Cordova R, Kliemann N, Huybrechts I, et al. Consumption of ultra-processed foods associated with weight gain and obesity in adults: a multi-national cohort study. Clin Nutr. Sep 2021, Bd. 40, 9, S. 5079-5088.
4: Monteiro, C.A., Cannon, G., Lawrence, M. et al. Ultra-processed foods, diet quality and human health using the NOVA classification system. 2019.
5: statista. Marktanteil von Bio-Lebensmitteln in Deutschland bis 2022. [Online] Mar 2023. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/360581/umfrage/marktanteil-von-biolebensmitteln-in-deutschland/.
6: World Cancer Research Fund (WCRF). https://www.wcrf-uk.org/about-us/who-we-are/cancer-over-the-past-30-years/. Cancer over the past 30 years. [Online] 2021. https://www.wcrf-uk.org/about-us/who-we-are/cancer-over-the-past-30-years/.
7: Robert Koch-Institut (RKI). Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen in Deutschland – Ergebnisse der Studie GEDA 2019/2020-EHIS. Journal of Health Monitoring. Sep 2022, Bd. 7, 3, S. 23-31.

Prof. Dr. Volkmar Nüssler
Prof. Dr. Volkmar Nüssler

Volkmar Nüssler ist in Dresden geboren und aufgewachsen. Sein Medizinstudium hat er in seinem Geburtsort begonnen und in München abgeschlossen. Er ist Arzt für Krebserkrankungen und war von 1998 bis 2022 Geschäftsführender Koordinator des Tumorzentrums München (TZM).

In dieser Funktion initiierte er bereits 2010 die Gründung einer psychosozialen Beratungsstelle für Krebspatientinnen und -patienten sowie ihre Angehörigen im TZM. Die Aktivitäten der TZM-Projektgruppe "Ernährung und Krebs", in der ärztliche und andere Ernährungsexpertinnen und -experten eng zusammenarbeiten, gehen ebenso auf seine Initiative zurück wie die Einrichtung einer entsprechenden Beratungsstelle. Nicht zuletzt diese Engagements haben ihn davon überzeugt, dass eine vollwertige Ernährung, genauer: das Kochen mit nachhaltig erzeugten Lebensmitteln und eine gemeinschaftsfördernde Esskultur, wichtige Bausteine für einen gesunden Lebensstil darstellen. In diesem Sinne vollwertige Ernährung kann auch Krebserkrankungen vorbeugen. Nüssler ist außerdem Mitbegründer des Vereins Food & Health, der sich für eine Verbesserung der Essensqualität in Gemeinschaftsküchen einsetzt. In Blogbeiträgen, bei Veranstaltungen für Patientinnen und Patienten und in der von ihm entwickelten Koch-App "Health Food" ist er regelmäßig engagiert.

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